Wer stand nach 1648 an der Spitze des Reiches?
An der Spitze des Reiches stand auch nach 1648 - nach dem Westfälischen Frieden - der Kaiser. Er war die wichtigste Person im Staat, er repräsentierte das Land, war der oberste Lehnsherr und gleichzeitig oberster Richter im Land. Doch hatte er auch die unumschränkte Macht?
Hatte der Kaiser unumschränkte Macht?
Nicht ganz. Denn die Kurfürsten wählten ja den Kaiser. Und ohne die Zustimmung dieser Männer konnte niemand Kaiser werden. Somit hatten die Kurfürsten im Reich ebenfalls Macht und Einfluss. Seit 1648 bestand das Kollegium der Kurfürsten aus acht Mitgliedern, 1692 kam mit dem Hause Braunschweig-Lüneburg noch ein neunter Kurfürst dazu.
Meist stammte der Kaiser aus dem Hause Habsburg
Bis zum Ende des Reiches im Jahr 1806 stammte der Kaiser fast immer aus dem Hause Habsburg, dem bekanntesten Adelsgeschlecht aus Österreich. Es gab nur eine kurze Ausnahmezeit, als mit Karl VII. (1742-1745) für drei Jahre ein Bayer Kaiser wurde. Aber, wie du siehst, dauerte dessen Regierungszeit nur kurz.
Obwohl der Kaiser sehr große Macht besaß, blieb diese nicht ohne Einschränkung. Er musste ja erst einmal gewählt werden, deshalb war er auch abhängig von den Reichsständen, die ihn nun einmal "auf den Thron setzten". Die Reichsstände tagten in Regensburg. Weil sie dort "tagten" hieß es "Reichstag". Der Reichstag tagte bis 1806 in Regensburg.
Ein Tag reichte als "Reichstag" nicht aus
Im Reichstag gab es recht viel zu tun, da reichte ein Tag für die Menge an Arbeit nicht aus. Und es gab auch nicht wenige Probleme, die der Reichstag zu lösen hatte. So kam es dazu, dass seit 1663 ein ständiger Reichstag eingerichtet wurde. Die Mitglieder des Reichstages hatten kein Interesse daran, immer wieder ihre eigentlich wichtige Arbeit in ihren jeweiligen Territorien zu unterbrechen, um zum Reichstag nach Regensburg zu reisen. Dies kostete immer wieder sehr viel Zeit.
Man schickte Vertreter in den immerwährenden Reichstag
So schickten sie Vertreter, die sie auf dem "immerwährenden Reichstag" eben vertreten sollten. Diese Gesandten waren dann ständig vor Ort und tagten immer. Die Gesandten der Stände berieten sich auf diesem Reichstag über Fragen der Außenpolitik, der Finanzen. Sie trafen Entscheidungen hinsichtlich des Münz- und Geldwesens, der Wirtschaft und der Gerichtsbarkeit.
Wuchs die Macht der Fürsten, schwand die Macht des Kaisers
Und dieser Reichstag schränkte die Macht des Kaisers ein. Überhaupt zogen es die meisten Fürsten vor, für ihre eigenen Gebiete möglichst viele Vorteile zu gewinnen. Der Gedanke eines einheitlichen Reiches trat immer stärker in den Hintergrund. Wenn die Macht der Fürsten wuchs, dann schwand meist die Macht des Kaisers. Dennoch gab es einige, die den Gedanken eines gesamten deutschen Reiches aufrechterhielten, doch die waren in der Minderheit.
In anderen europäischen Ländern war der Einheitsgedanke stärker
Ganz anders war dies in Frankreich, England oder in Holland. Auch wenn hier die Entwicklungen sehr unterschiedlich verliefen, war der Gedanke eines gemeinsamen Staatengebildes sehr viel ausgeprägter. Diese Länder waren nicht so zersplittert wie Deutschland und so trat der Einheitsgedanke viel stärker hervor. Auch wenn die politische Entwicklung erst einmal eine andere war.
In England entwickelte sich schon eine sehr frühe Form von Parlament und Frankreich wurde ein absolutistischer Staat.