Der Heereskonflikt in Preußen und wo ist die Lücke?
Beim Preußischen Verfassungskonflikt - auch Heereskonflikt genannt - ging es um den Aufbau bzw. die Neuorganisation der Armee in Preußen. In Wirklichkeit war es eine Auseinandersetzung zwischen der Königsmacht und dem Parlament, also den freiheitlichen Elementen der Regierung. Der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck meinte, in der Verfassung eine "Lücke" gefunden zu haben und hob den Konflikt auf.
Wie fing der Konflikt an?
Der preußische König Wilhelm I. und seine konservativen Verbündeten planten die preußische Armee zu verstärken. Die Zahl der preußischen Soldaten sollte erhöht werden. Damit einher ging der Plan, ein stehendes Heer als Machtgrundlage für die Verteidigung Preußens einzurichten. Die Landwehr, die es schon seit Anfang des Jahrhunderts gab, bestand aus einem Freiwilligenheer, das schlecht ausgerüstet und auch schlecht ausgebildet war. Es hieß, dass den Soldaten sogar oft genug die Schuhe fehlten. Diese Landwehr sollte eben abgeschafft werden zugunsten eines gut ausgebildeten stehenden Heeres.
Ein größeres Heer kostete Geld
Doch so etwas kostete nun mal Geld. Und der König durfte das nicht allein entscheiden, sondern benötigte die Billigung seines Vorhabens durch das preußische Abgeordnetenhaus. Dieses fand auch die Idee des Königs gar nicht so gut, es wollte die Landwehr erhalten und die Wehrpflicht, die der König von zwei auf drei Jahre hochsetzen wollte, bei zwei Jahren belassen und vor allem nicht so viel Geld für das Militär ausgeben. Trotz aller Vorbehalte wurde das Geld - es handelte sich um die nicht geringe Menge von 9 Millionen Talern - "provisorisch" bewilligt. Doch das Geld reichte dem König nicht, im folgenden Jahr wollte er noch mehr Geld. Doch auch dies wurde ihm wieder bewilligt.
Eine Einigung schien nicht in Sicht
So kam es in der Folge zu heftigem Streit. 1861 entstand die Fortschrittspartei, die sich eben für kürze Wehrzeit und für die Landwehr aussprach. Aber der König gab nicht nach und das Kabinett trat erst erst einmal zurück. Nach neuen Wahlen wurden diese "Fortschrittler" stärker. So ging es hin und her mit den Forderungen - Stärkung der Armee, Schwächung der Armee, mehr Soldaten, weniger Soldaten usw. Eine Einigung schien nicht in Sicht zu sein.
Jetzt kam Otto ...
Die Situation war ziemlich verfahren. König Wilhelm I. wollte schon zurücktreten, doch da kam ein Mann auf den Plan und wurde preußischer Ministerpräsident. Er hieß Otto von Bismarck, war zuvor preußischer Gesandter in Paris und am 23. September 1862 in sein neues Amt erhoben worden. Bismarck war nicht nur schlau, sondern auch sehr ehrgeizig, er wollte die Macht des Königs unbedingt verteidigen und selbst daraus Nutzen ziehen.
... und fand die berühmte Lücke
So kam er auf die Idee zu behaupten, die Verfassung habe eine Lücke, weil in ihr ja nichts zum Thema stehe, was zu tun sein, wenn es zum Konflikt zwischen König und Parlament komme. Somit hätte der König - als militärischer Machthaber - die letzte Entscheidungsbefugnis. Dies war dann die berühmte "Lückentheorie", mit der Bismarck immer wieder in Zusammengang gebracht wird. Und er kam damit durch. Frechheit siegt halt manchmal doch, wie die Geschichte bewies.