Die kleindeutsche Lösung gelang
Was den Revolutionären von 1848 nicht gelungen war, gelang Otto von Bismarck. Er setzte die Einheit Deutschlands durch, allerdings als so genannte kleindeutsche Lösung: ohne die Beteiligung Österreichs. 1871 entstand damit zum ersten Mal ein deutscher Nationalstaat.
Am 18. 1. 1871 wurde im Spiegelsaal von Versailles die Gründung des Deutschen Reiches verkündet. Nach jahrelangen Versuchen, in Deutschland Einheit und Demokratie zu errichten, war zumindest die Einheit gelungen. Die Freiheit musste noch eine Weile warten.
Ein Staat von oben
So war der deutsche Staat im Vergleich zu anderen Staaten etwas Besonderes. Er war nicht wie andere europäische Staaten von unten her durch den Willen des Volkes entstanden, sondern von oben her. Und dies entsprach gar nicht den Spielregeln der Demokratie. So versammelten sich am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles nicht die Abgesandten der Parlamente, sondern die deutschen Prinzen, die Fürsten und die Militärs. Festgehalten hat diesen Moment der Maler Anton von Werner auf einem Bild, das du rechts sehen kannst. Hier war nicht von Verfassung die Rede, von Mitwirkung des Volkes oder von Bürgerrechten.
Konstitutionelle Monarchie
Der neu gegründete Staat war eine so genannte konstitutionelle Monarchie. Anders als im Absolutismus, bei dem der Herrscher ganz alleine die Macht ausübt, war der Monarch hier an eine Verfassung gebunden. Allerdings war die Kaiserwürde erblich und dem preußischen Königshaus vorbehalten. Die Stellung des Kaisers war weiterhin mächtig, vor allem auch auf dem Gebiet der Außenpolitik. Der erste deutsche Kaiser hieß Wilhelm I.
Bund deutscher Fürsten und freier Städte
Diese Verfassung ähnelte der Verfassung, die schon für den Norddeutschen Bund, den Vorläufer des Deutschen Reiches, ausgehandelt worden war. Schon die Präambel (eine Art Einleitung) der Reichsverfassung von 1871 machte klar, dass die Reichsgründung nicht den Willen des Volkes darstellte, sondern einen nach dem Willen der deutschen Fürsten gegründeten Bund.
Der Reichskanzler
Entscheidend war, dass der Reichskanzler laut der Verfassung von 1871 nur dem Kaiser und nicht dem Parlament verantwortlich war. Der Kaiser ernannte den Kanzler und konnte diesen auch wieder absetzen. Das Amt des Reichskanzlers war identisch mit dem des preußischen Ministerpräsidenten.
Wahlrecht
Es galt das allgemeine, gleiche und geheime Wahlrecht, aus dem der Reichstag hervorging. Die 397 Abgeordneten des Reichstages wurden in den 397 Wahlkreisen gewählt, die sich an der Fläche und nicht an der Bevölkerungszahl orientierten. Wählen durften nur Männer über 25 Jahren, Frauen durften noch nicht wählen. Erst im Jahr 1919 erhielten Frauen im Deutschen Reich das Wahlrecht. Im Bundesrat saßen insgesamt 58 Vertreter der verschiedenen Regierungen, 17 davon stammten aus Preußen. Der Bundesrat vertrat das föderale Prinzip.
Die Gesetze wurden von Reichstag und Bundesrat gemeinsam erlassen.
Einheitliche Währung - die Mark
Das deutsche Münzgesetz vom Juli 1873 schuf die rechtliche Grundlage, eine einheitliche Währung im gesamten Deutschen Reich einzuführen. Mit der Einführung der Mark wurde der im Norden gültige preußische Taler genauso abgeschafft wie der Gulden im Süden. Doch es sollte noch drei Jahre dauern, bis ab 1. Januar 1876 die Mark die einzige gültige Währung im Deutschen Reich wurde. Damit war die Zeit vorbei, in der es acht verschiedene Landeswährungen gab und 119 verschiedene Münzen. Eine Tatsache, die den Handel im Deutschen Reich erheblich erschwert hatte.