Was war das "Sozialistengesetz"?

    Sozialistengesetz

    Das Gesetz, das wir als "Sozialistengesetz" kennen, hieß ursprünglich  "Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie". In Kraft trat dieses Gesetz am 22. Oktober 1878 und es wurde insgesamt viermal verlängert. Es kam einem Parteiverbot gleich.

    Sozialismus und Sozialdemokratie waren zur Zeit Bismarcks Begriffe, die man synonym verwendete. Die SAPD (Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands, ab 1890 SPD) vertrat die Arbeiterschaft, die die Situation der Arbeiter im Deutschen Reich verbessern wollte.

    Attentate auf den Kaiser nahm Bismarck als Anlass

    1878 wurden auf Kaiser Wilhelm I. zwei Attentate verübt, die allerdings scheiterten. Dies war für Kanzler Otto von Bismarck ein willkommener Anlass, gegen die Sozialisten vorzugehen, denen man die Attentatsversuche auf den Kaiser anlastete. Doch ein direkter Zusammenhang war nie nachzuweisen bzw. beide Attentate hatten eigentlich gar keinen direkten politischen Hintergrund. Das störte Bismarck wenig, denn die Sozialisten waren ihm lästig und er plante, sie so schnell wie möglich, politisch auszuschalten.

    Die Angst vor einer Revolution

    Da die Ängste vor einer Revolution in Deutschland groß waren, gelang es Bismarck schließlich, dass der Reichstag am 19. Oktober 1878 mit der Mehrheit der Stimmen von Konservativen und Nationalliberalen das Gesetz "wider die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" verabschiedete. Mit diesem Gesetz - kurz dann "Sozialistengesetz" - wurden sozialistische Parteien und Organisationen verboten. Die Sozialisten durften sich nicht mehr versammeln und auch nicht schriftlich äußern. In der Folge wurden viele Menschen verhaftet oder flohen ins Ausland, um einer Verhaftung zu entgehen.

    Doch Bismarck erreichte das Gegenteil

    Aber Bismarck erreichte das Gegenteil, denn die Arbeiter verstärkten ihren Widerstand und rückten näher zusammen. Das Schlimme daran war, dass viele Arbeiter das Vertrauen in den jungen Staat verloren und  sich und ihre Interessen nicht vertreten sahen. Doch gelang es Bismarck nicht, die Sozialdemokratie zu zerschlagen. Abgeordnete durften aufgrund der Persönlichkeitswahl auch noch im Reichstag aktiv sein. Die Stimmen für die sozialdemokratischen Abgeordneten nahmen nach dem Parteiverbot sogar zu.

    Aufhebung der Gesetze nach Bismarcks Entlassung

    Als Bismarck 1890 entlassen wurde, verlängerte der neue Kaiser Wilhelm II. das Sozialistengesetz nicht noch einmal, weil er sich mit der Arbeiterbewegung aussöhnen wollte. So wurde aus der SADP 1890 dann die SPD, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, bald die mitgliederstärkste Partei im Deutschen Reich.

    Bismarcks Sozialgesetze

    In engem Zusammenhang mit dem Verbot der Sozialisten standen die Sozialgesetze, die auf Initiative Bismarcks hin eingeführt wurden. Bismarck plante, mittels dieser Gesetze, die Situation der Arbeiter zu verbessern. Diese sollten sich in der Folge von sozialistischen Ideen und Organisationen abwenden und dem neu gegründeten Staat vertrauen.

    So führte Bismarck zwei Versicherungen ein, die völlig neu waren: die Krankenversicherung im Jahr 1883 und die Unfallversicherung im Jahr 1884.  Obwohl beide Gesetze tatsächlich dem Wohl der Arbeiter dienten, ließen sich diese nicht überzeugen, sich von der Sozialdemokratie abzuwenden. Im Jahr 1889 folgte dann auch noch die staatliche Rentenversicherung. Doch viele sahen in Bismarcks Bemühen nichts anderes als ein Täuschungsmanöver.

    Trotz aller Mängel waren die Sozialgesetze Bismarcks für weitere Gesetze die Grundlage und bereiteten ein Stück weit den Weg in einen modernen Sozialstaat vor. Viele Historiker sehen vor allem darin, eine wichtige innenpolitische Leistung des Reichskanzlers.